Alles ist verbunden

Warum es wichtig ist, Menschen zu helfen und den Arbeitsplatz auf sie abzustimmen

 

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Eine Computergrafik einer Wand mit Dekorationen und Fotos.

Die zentralen Aspekte

  • Viele Arbeitsplätze entsprechen heute nicht mehr den Anforderungen, die der Mensch und die Arbeit an sie stellen. Deshalb werden sie gemieden. Für Unternehmen bedeutet das erhebliche Fehlinvestitionen.
  • Effektive Arbeitsumgebungen bieten vielfältige, unterschiedliche Bereiche an, die auf die spezifischen Tätigkeiten der Mitarbeiter zugeschnitten sind.
  • Ein ganzheitlicher Ansatz kann eine angenehme Arbeitsatmosphäre fördern und Unternehmen dabei unterstützen, ihre Ziele zu erreichen.

Die erfolgreichsten Unternehmen sind heute oftmals die, die möglichst schnell gute Ideen entwickeln und dabei auf Menschen statt auf Prozesse setzen. Obwohl alle von uns gute Ideen haben, brauchen wir andere, mit denen wir über unsere Konzepte sprechen können, um deren Potenzial zu erkennen und sie weiterzuentwickeln.

Zudem setzen wir im kreativen Prozess immer häufiger Technologien ein. Wir teilen Informationen auf Bildschirmen, sprechen per Videokonferenz mit Kollegen auf anderen Kontinenten und entwickeln am Touchscreen Ideen. Aber wenn sich die Systeme und Geräte, die wir Tag für Tag nutzen, nicht gut in die Arbeitsumgebung einfügen, können schnell Probleme entstehen.

Mit Sicherheit haben wir alle schon einmal in einem Raum arbeiten müssen, in dem die Umgebung (der Raum selbst), die Möbel (Tische und Stühle) und Arbeitsgeräte (digital wie analog) nicht aufeinander – und auf uns – abgestimmt sind. Wir brauchen Strom für den Laptop, aber es ist keine Steckdose in der Nähe. Wir haben ständig das Gefühl, wir kommen zu spät zur Präsentation und der letzte freie Platz ist ganz vorn gleich neben dem Vortragenden. Die Meetings fangen wegen technischer Probleme mit zehnminütiger Verspätung an, und anschließend verspäten sich alle bei ihren restlichen Terminen.

Die Kosten der Fehlplanung

Derlei Probleme scheinen in der heutigen komplexen Arbeitswelt unvermeidlich, können sich aber zu echten Brandherden auswachsen. Nehmen wir als Beispiel nur das verzögert beginnende Meeting, weil die Technik streikt – laut einer Studie von Microsoft1  ein sehr häufig auftretendes Problem. Auf eine Jahresarbeitszeit von 2000 Stunden gerechnet (bei einer 40-Stunden-Woche) hat das gravierende Auswirkungen: Ein Wissensarbeiter verbringt derzeit 17 Prozent seines Arbeitstags in Meetings.2  Wenn ein Meeting im Schnitt eine Stunde dauert, sind das 340 Meetings pro Jahr. Wenn sich jedes Meeting um zehn Minuten verzögert, verliert jeder Mitarbeiter pro Jahr fast anderthalb Wochen Arbeitszeit – und zwar nur wegen schlecht integrierter Technologie. Damit ist nicht nur unsere reibungslose Zusammenarbeit gefährdet, sondern vor allem auch unsere Produktivität. 

Organisationen kennen ähnliche Probleme mit schlecht angeordneten, unpraktischen Arbeitsplätzen. Studien zeigen, dass acht von zehn Büromitarbeiter mindestens einmal in ihrem Leben Rückenprobleme haben.3 Geringere Produktivität und medizinische Behandlung wegen Rückenschmerzen kosten die Unternehmen jedes Jahr $ 51,400 pro 100 Mitarbeiter.4  Wer Hunderte oder gar Tausende Mitarbeiter hat, auf den kommen somit schnell sehr hohe Kosten zu.

Kein Mensch möchte an einem Ort arbeiten, an dem er sich beengt, allein und uninspiriert fühlt. Angesichts steigender Mieten geht ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Investitionen eines Unternehmen in seine Arbeitsumgebung verloren, weil die Mitarbeiter nicht an ihrem Platz arbeiten.

Die Abwärtsspirale stoppen

Viele Räume werden nach wie vor in einem linearen Prozess entwickelt. Das heißt, zuerst wird die Struktur bestimmt, dann Möbel und Oberflächen ausgewählt und schließlich die Technologie eingepasst. Dass das nicht funktioniert, wissen wir inzwischen alle. Trotzdem müssen sich Architekten und Raumausstatter weiterhin jeden Tag gegen eine derartige Vorgehensweise wehren. Meist wird sie durch mangelnde Zeit, altmodisches Management oder ein überholtes Verfahren bei der Auftragsvergabe begünstigt.

Auch plagen sich Unternehmen oft noch mit den Überbleibseln standardisierter Arbeitsplätze herum, die die Arbeit in zwei grobe Kategorien einteilen – in Einzel - und Gruppenarbeit – und daher auch nur zwei Grundtypen von Arbeitsräumen kennen – Einzelarbeitsplätze und Konferenzsäle. Ein solches Angebot verkennt die Diversität beruflicher Aktivitäten im Laufe eines Arbeitstages.

Daher bedarf es eines Arbeitsplatzmodells, das mehr auf den Menschen ausgerichtet ist und eine größere Vielfalt bietet. Dazu muss sich aber bereits die Konzipierung und Entwicklung der Arbeitsstätte grundlegend ändern. Alle Beteiligten müssen von Anfang an involviert sein, Gebäudemanagement, Personalabteilung, IT.

Seit Jahren arbeiten fortschrittliche Designer daran, diese Prämissen zu ändern. Herman Miller etwa nutzt forschungsbasierte Erkenntnisse, um variable, zweckmäßige Arbeitsumgebungen zu kreieren.

Eine Grafik, die einen Mann zeigt, der Einrichtungsgegenstände, Werkzeuge und Umgebungen betrachtet.

Arbeiten auf einem neuen Niveau

Unsere forschungsbasierten Erkenntnisse sind auch in Living Office eingegangen, das exemplarisch zeigt, wie wichtig es ist, Arbeitsplätze an den Bedürfnissen des Menschen und seiner Zusammenarbeit mit anderen auszurichten. Living Office schafft mit zehn verschiedenen Arbeitsumgebungen einen Rahmen für die zehn häufigsten beruflichen Tätigkeiten, damit Organisationen und deren Designpartner der Komplexität ihrer Situation gerecht werden können.

Tätigkeiten und Arbeitsumgebungen werden dabei immer abhängig von den Zielen der Organisation (zum Beispiel höhere Attraktivität, Wissensspeicherung oder Effizienz) und deren Zweck und Charakter betrachtet (jener Eigenschaften, die das Unternehmen einzigartig machen). Anhand dieser Erkenntnisse kann das Designteam einen Mix an Arbeitsumgebungen entwickeln, der die individuelle Unternehmenskultur widerspiegelt.

Anschließend können die Organisationen und ihre Designpartner diesen Rahmen mit den passenden Möbeln und Arbeitsgeräten füllen. Auf diese Weise wirken alle Elemente im Raum zusammen, was das körperliche Wohlbefinden, die kognitiven Fähigkeiten und das gemeinschaftliche Erleben fördert, sodass alle Grundbedürfnisse der Mitarbeiter erfüllt sind (Sicherheit, Ausüben einer sinnvollen Tätigkeit, Zusammengehörigkeitsgefühl). Das nennen wir „Arbeiten auf einem neuen Niveau“.

Alles außer abgehoben

Niemand würde im Ernst einen Raum kreieren wollen, der nicht auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht. Trotzdem kann genau das passieren, vor allem wenn Raum, Möbel und Arbeitsgeräte getrennt voneinander betrachtet und nicht auf die Tätigkeiten und Anforderungen der Mitarbeiter zugeschnitten werden.

„Wir können für jedes Team die optimale Arbeitsumgebung einrichten, die besten Möbel und Arbeitsgeräte bereitstellen. Aber das alles kann trotzdem nicht reichen, wenn der Raum nicht funktioniert“, erklärt Holly Honig, Leiterin Menschliche Dynamik und Arbeit bei Herman Miller. „Wir haben das alles schon erlebt. Die Frage ist: Warum? Wie kann ein Raum mit schönem Design, in dem alles am richtigen Platz ist, nicht funktionieren?“

Honig fährt fort: „Meist liegt es nicht an der Einrichtung, an den Möbeln oder anderen greifbaren Dingen. Unsere Erfahrung mit Hunderten von Kunden hat uns gezeigt: Das Problem liegt darin, dass sich die Veränderungen am Arbeitsplatz auch auf menschlicher und organisatorischer Ebene widerspiegeln müssen. Es wird allzu oft vergessen, dass wir immer vom Menschen ausgehen müssen.“

Ein solcher Fall war bei einem großen Finanzdienstleister zu beobachten, der $ 240 Millionen für neue Büros ausgab, darunter Dutzende Konferenzsäle mit großen rechteckigen Tischen, komfortablen Stühlen und der neusten digitalen und analogen Ausrüstung – 60 Zoll große Dual-Touchscreens, ein hochmodernes Telepräsenzsystem, riesige Whiteboards. Sie können sich bestimmt vorstellen, wie überrascht man war, als sich einige Monate nach dem Bezug der Räumlichkeiten durch eine Umfrage zur Raumnutzung herausstellte, dass die Konferenzsäle in 80 Prozent der Fälle von nur drei Personen und nie von sechs Mitarbeitern gleichzeitig genutzt wurden.

Das lag daran, dass die Räume nicht den Bedürfnissen der Mitarbeiter entsprachen, die eben nicht Ausgangspunkt bei der Entwicklung und Einrichtung der Räume gewesen waren. In diesem Fall wurde zuerst die Arbeitsumgebung entwickelt – 150 standardisierte Konferenzsäle für je sechs Mitarbeiter. Danach wurden elegante, luxuriöse Möbel ausgesucht und schließlich die neusten Technologien, interaktive Bildschirme mit Videokameras.

In allen drei Phasen wurden die Entscheidungen von hochspezialisierten Teams getroffen, die untereinander nicht in Kontakt standen. Das Problem: Niemand machte sich Gedanken über den Raum als Ganzes. Es gab keinen gemeinsamen Ansatz, wie die Räumlichkeiten zu gestalten wären, keine gemeinsame Perspektive, keine gemeinsame Sprache. „Diese Räume wären wunderbar geeignet für Show & Tell (Präsentation – eine von sieben Arten kollaborativer Arbeit, die Herman Miller in seiner Forschung zu Living Office benannt hat)5. Da aber der Raum sehr beengt war, konnten die analogen und digitalen Arbeitsgeräte nicht frei genutzt werden, was ein Co-Create (Gemeinsame Kreation) verhinderte“, sagt Greg Parsons, Senior-Vizepräsident und Kreativer Leiter Arbeit bei Herman Miller.

Ein computerisiertes Bild, das eine Büroeinstellung vor und nach dem Rekonfigurieren zeigt.
Eine Illustration eines kleinen Kollaborationsbereichs mit einem halbrunden Tisch, blauen Bürostühlen Setu und wandmontierten Bildschirmen.

     Vorher

  • In jedem Raum gab es einen Stuhl, der den Blickwinkel der Videokamera störte, sodass entweder der Stuhl oder die Kamera nicht benutzt werden konnte.
  • Die rechteckige Tischform erschwerte den Mitarbeitern den Blick auf die Bildschirme.
  • Und die Beengtheit des Raumes machte es den Mitarbeitern unmöglich, sich frei zu bewegen.

     Nachher

  • Die Stuhlzahl wurde von sechs auf vier reduziert, sodass sich der Raum von kleinen Gruppen besser nutzen ließ.
  • Durch die runde Tischform wurden die Sichtlinien verbessert und Platz geschaffen, um sich freier zu bewegen.
  • Die Sitzmöbel vor dem Raum formen ein „Landing” und ermöglichen den Austausch vor und nach den Meetings.

Der neue Konferenzsaal

Um zu verstehen, was das Problem an den neuen Konferenzsälen des Finanzdienstleisters war, sah sich Herman Miller zunächst den Designprozess an. Als Erstes fiel der lineare Ansatz auf, bei dem Inneneinrichtung und IT separat betrachtet wurden, ohne dass sich die Bereiche untereinander abstimmten oder überlegten, welche Bedürfnisse erfüllt werden sollten. Zum Beispiel gab es in jedem Raum einen Stuhl, der den Blickwinkel der Videokamera störte, sodass entweder der Stuhl oder die Kamera nicht benutzt werden konnte. Tatsächlich waren die Sichtlinien überhaupt nicht berücksichtigt und die Whiteboards außer Reichweite der Kamera aufgehängt worden. Schließlich machte die Beengtheit des Raumes es den Mitarbeitern unmöglich, sich frei zu bewegen.

Durch einen ganzheitlichen Ansatz konnten die Räume ohne größeren Aufwand in produktive Treffpunkte für alle Teilnehmer umgewandelt werden. Eine Studie zur Raumnutzung bestätigte, dass die Zahl der Stühle reduziert werden konnte. Zusammen mit der runden Tischform, die die Sichtlinien verbesserte, konnte mehr Platz geschaffen werden, damit die Teilnehmer sich freier bewegen und alle digitalen und analogen Geräte leicht nutzen konnten. Vor den Räumen wurden zusätzliche Sitzmöbel aufgestellt, um sogenannte Landings zu schaffen – eine Arbeitsumgebung des Living Office zum Austausch vor und nach den Meetings, was wir Warm Up, Cool Down (Vor- und Nachbesprechung) nennen.

„Meist sind wir für solche Probleme blind. Es muss erst jemand von außen kommen und uns den Spiegel vorhalten“, sagt Scott Openshaw, Unternehmensergonomiker bei Herman Miller. „Im Grunde weisen wir die Unternehmen einfach nur auf derlei Probleme hin, sodass sie sich ihre Räumlichkeiten noch einmal selbst anschauen und bestimmen können, was sie ändern müssen.“

Aber welche Auswirkungen haben diese Änderungen genau? Das Entscheidende ist, dass sich die Teilnehmer eines Meetings jetzt besser auf den Vortrag konzentrieren können, weil sie von jedem Platz aus alles gut sehen und hören. Es fließen mehr kreative Ideen, wenn ihnen alle Arbeitsgeräte zur Verfügung stehen und es genug Raum gibt, um sich frei zu bewegen. Und die Kommunikation verbessert sich, wenn die Technologien reibungslos funktionieren und den Austausch mit Kollegen andernorts ermöglichen.

Wer gute Arbeitsbedingungen hat, denkt seltener daran, was gerade nicht funktioniert, ist daher kreativer und kann sich leichter mit seinen Kollegen austauschen. Letztlich dient der Raum den Menschen, die darin arbeiten, und infolgedessen auch dem Unternehmen.

Fußnoten

1. Microsoft Research, 2015.

2. Spira, „The Knowledge Worker’s Day: Our Findings“, Basex, 2010. http://www.basexblog.com/2010/11/04/our-findings/

3. Alderman, „Sit Up Straight, Your Back Thanks You“, in: New York Times, 2011.

4. Bryla, „Low Back Pain Takes Toll on Work Health & Productivity, Integrate Benefits Institute Study Finds“. Integrated Benefits Institute, 2013.

5. „Work Life“, in: WHY Magazine, 2013. http://www.hermanmiller.com/why/work-life.html